Dienstag, September 12, 2006

Berlin 2

Hallo Zusammen,

es ist schon eine Weile her, seit ich mich das letzte Mal gemeldet habe. Eigentlich dachte ich, dass ich sehr viel über Berlin würde erzählen können. Leider stellt sich das als schwieriger heraus, als ich gedacht habe. Kommt dazu, dass ich am Anfang sehr viel Mühe hatte mich auf diese Stadt überhaupt einzulassen. Ich war etwas von mir selbst überrrascht, so schnell hier gewesen zu sein und hier so viel Zeit zur Verfügung zu haben.
Das Standar-Touri-Programm habe ich deswegen aber nicht ausgelassen. Am Samstag besuchte ich eine englischsprachige Free-Tour durch das historische Berlin. Regierungsviertel, Kaiserpalast, ehemaliges Stasi-Zentrum, Mauer usw. Das wäre eigentlich alles sehr langweilig und öde gewesen, hätte uns nicht der gute Chris aus Amerika durch die Stadt geführt. Seine Führung war eine Show und eine schauspielerische Meisterleistung. Langweilig wurde es dadurch nie und auch die vier Stunden war in Ordnung.
Am Sonntag war ich im Reichsttagsgebäude und im neuen Hauptbahnhof. Am Montag habe ich den ganzen Tag geschlafen, da ich die Nacht zuvor durchgetrunken habe. Heute war ich auf dem TV-Tower beim Alexanderplatz. Davor habe ich mir von einem türkischen Friseur den Bart und die Haare schneiden lassen. Auch wenn er mit seiner Rasierklinge die ganze Zeit herumgefuchtelt hat, wie ein japanischer Samurai, hatte ich doch nie Angst, dass er mir damit die Kehle aufschneiden würde. Weiter gings mit Ticketkaufen im Hbf, kurzer Aufenthalt im Hostel, essen in Oranienburgergebiet.
Wer einmal nach Berlin kommt, sollte zwischen Torstrasse und Oranienburgerstrasse eine Nacht verbringen. Dieses ehemalige Ostgebiet ist voller Bars, Restaurants und anderen sündigen Verlockungen (hübsche Strassenprofis inkl.).
Eins muss ich aber doch loswerden. So megatoll und unglaublich schön ist Berlin auch wieder nicht. Natürlich wird überall neu gebaut, kein Stein bleibt auf dem anderen, die Strassen sind voller Kunstgalerien, alternativen Ausgehorten und sonstigen grossstädtischen Erscheinungen. Die Leute sind offen, direkt und viele sind auf ihre Art auch individuell. Aber deshalb Berlin als das grosse Mekka des heutigen Europas auszurufen? Diese Sachen findet man doch in allen grossen Städten. Und wenn man ehrlich ist: Die Leute aus dem eigenen Umfeld, welche bisher in Berlin waren, haben auch mehr davon geschwärmt, dass sie schon mal in Berlin waren, als von den Vorzügen und einzigartigen Dingen Berlins. Wenn ich es mir recht überlege, dann stimmt es wohl, wenn man sagt, dass die Ferien beim erzählen immer viel toller waren, als es tatsächlich war.
In diesem Blog habe ich immer versucht euch die Wahrheit zu sagen. Also wenn ich in guter Stimmung war und gute Dinge erlebt habe, dann habe ich dies mitgeteilt. Genauso, wie ich mich nicht gescheut habe euch zu erzählen, dass mich in Ostdeutschland extrem negative Gefühle überfallen haben. Darüber kann auch Berlin nicht hinwegtäuschen.
Ostdeutschland ist und bleibt was es ist, auch wenn hier zufälligerweise Berlin liegt: Ein Entwicklungsland im Osten von Westdeutschland. Ostdeutschland wird von der Politik in Deutschland, als Gebiet zweiter Klasse angeschaut, das mehr Hilfe benötigt, als man geben kann. Zwanzig Prozent Arbeitslosigkeit ist in diesen Längengraden meist noch untertrieben. Natürlich wird Berlin herausgeputzt, aber das ist nur ein Schleier dafür, was sich dahinter, sprich in den umliegenden Ländern verbirgt. Es macht zwar viel Spass, sich in Berlin zu vergnügen, und glaubt mir, das kann man hier, aber kein vernünftiger Mensch kommt angesichts der allgegenwärtigen Misere auf die Idee sich hier niederzulassen. Ausser man liesse sich blenden von dem hippen Berlin, das in den Medien oft und gerne zelebriert wird. Berlin ist nichts weiter als eine Grossstadt in Europa. Einziger Unterschied zu Paris oder London: Die spezielle Geschichte ist hier frischer als in den anderen Metropolen. Aber zumindest in Frage zu stellen, ob eine spezielle Geschichte schon etwas Gutes hervorbringt, sollte man. Auch wenn man absolut trendy ist, wenn man nach Berlin geht. Und erst recht wenn man tatsächlich gegangen ist und nicht geflogen oder gefahren.

In disem Sinne gute Unterhaltung mit anderen Medien, denn dies ist der letzte Eintrag, den ihr auf diesem Blog finden werdet.

Adieu

Die weibelsche Unterhaltungsindustrie bedankt sich für eure Aufmerksamkeit.

8 Comments:

Anonymous Anonym said...

Hey, ich lese deine Blog schon seit ein paar Tagen und war gespannt darauf, was du über Berlin zu berichten hast. Jetzt bin ich froh, das du dem allgemeinem Hype nicht verfallen bist.

Und trotzdem denke ich, das du verkehrt liegst. Das wunderbare an Berlin ist ja nicht das hippe, klar, das hat man überall in jeder Großstadt. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen brauchst du wahrscheinlich länger als deine ganze Wanderung gedauert hat.

Ich habe in vorigen Beiträgen von dir schon gespürt, das sie sehr von deiner Tagesverfassung abhängig sind. Im Grunde genommen hast du ganz Ostdeutschland ja nur durch deine Berner Politikstudentenbrille gesehen. Nichtsdestotrotz ist Berlin weder Ost- noch Westdeutschland.

Also jetzt ganz banal was Berlin so viel lebenswerter macht als andere Städte: 1. billig, 2. pleite, 3. Wohnraum satt, 4. offen und relativ traditionslos (oder soviel verschiedene Traditionen, das man sich auf keine einigen kann). Wegen 1+2 wohnen hier so viel Leute, die woanders weg sind, weil sie besseres zu tun haben als ihre ganze Energie in die Finanzierung von Wohnraum zu stecken (ich war gerade 1 Monat New York und hab die Leute bedauert).

Na, ja und tausend andere Gründe. Trink nich soviel, dann kriegste auch keinen moralischen.

Trotzdem, riesen Respekt vor deiner Reise, auch wenn ich erhofft hatte, mehr Erleuchtung zu lesen.

Buchtip: Werner Herzog – Vom Gehen im Eis. München - Paris 23.11. bis 14.12.1974.

11:56 PM  
Anonymous Anonym said...

Ich will dir kein Unrecht tun: Respekt, Respekt, Respekt. Jeder sollte mal so'ne Reise machen.
Und ich hoffe, du hast noch lange Freude daran. Das bleibt immer bei dir.

12:16 AM  
Anonymous Anonym said...

Auch ich denke, dass du falsch liegst mit deiner Einschätzung von Berlin. Aber das hängt vielleicht wirklich ein bisschen von der Laune ab...
Hättest dir Berlin von Berlinern zeigen lassen sollen (& und nicht Amerikanern)! Berlin würde ich übrigens auch nicht aus Ostdeutschland bezeichnen, Berlin war schon immer anders und mehr mit dem Westen verbunden. Berlin lag ja auch im Westen, von Ostdeutschland aus gesehen.

Eh ja, bis dann mal auf ein Bier.

PS: Ein Besuch Wert wäre allenfalls die offene Uni Berlins (http://www.offeneuni.tk.

P.P.S. Warst du in der 8mm-Bar?

P.P.P.S. Warst du im Carouge?

... und so weiter

7:02 AM  
Anonymous Anonym said...

salü jölu,

schad dasesder nid sooo würklech het gfaue zberlin..
naja i bi säuber nonie gsi aber wirde in nächster zit äuä mou go und de mini erfahrig mit berlin mache ;)
dänkes si wird angers si aus dini, wüui mitere angere isteuig go ;)

chum gli mau wider deheim verbi:)

gruess
mix

7:29 PM  
Blogger berntoberlin said...

Zu Bäschtu: deine ps und pps deuten es an. Diese und jene Bar und so...Das ist eben genau nicht das, was ich in Berlin irgendwie gesucht habe, wenn auch nicht sehr aktiv. Ich wollte eben das andere kennenlernen, das was es nur in Berlin und nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Und das sind keine Bars.
Daran kann ich gleich einen Comment zu Erics Kommentaren anschliessen. Wahrscheinlich hast Du damit Recht, dass es länger dauern würde Berlin zu ergründen. Kommt dazu, dass ich nach sechs Wochen Wanderung sehr erschöpft war und meine Sinne langsam verstopft. Ich war sechs Wochen jeden Tag an einem anderen Ort mit anderen Menschen. Die letzten paar Beiträge von mir zeugen durch ihre uniformität und Absenz von Neuheiten davon. Irgendwann ist jedes Hirn voll. Ich werde wohl eine Zeit brauchen bis ich wieder einen leereren Kopf haben werde.
Danke für die Kritik. Hilft mir auch mich selbst zu hinterfragen.

10:31 PM  
Anonymous Anonym said...

Na ja, nicht gleich selbstzerfleischen. Es war ja sehr unterhaltend, dein Blog zu lesen. Bin sozusagen mitgewandert (ich kenne einige Orte deines Weges). Und schon die Idee mit dem Laufen – fantastisch.

Um nochmal kurz auf Berlin zurückzukommen: was du hättest entdecken können, was Berlin so unterscheidet von den anderen Städten, ist, dass hier nicht das Geld und Großkapital regiert. Oder – richtiger – nicht so sehr. Viele Ideen und Initiativen werden hier von Enthusiasten mit wenig oder keinem Geld realisiert. Und aus deinen Texten hatte ich gelesen, dass das Thema dich auch interessiert. Aber am Hackeschen Markt findet man diese Leute eher nicht.

Komm einfach mal wieder, nimm den Zug und Zeit. Es wird dir beim nächsten mal hier sicher gefallen.

Alles Gute und gute Heimreise
Eric

12:17 AM  
Anonymous Anonym said...

also also..

Berlin ist die Geilste Stadt des Universum, und dass sag ich, als Solothurnerin!

12:23 PM  
Anonymous Anonym said...

Ähem, zu Berlin muss ich mich meinen Vorrednern anschliessen - so fürchterlich viel scheinst du da nicht gesehen & verstanden zu haben. Ganz konkret jedoch: Das Reichtstagsgebäude gibt es nicht, was du meinst ist der Reichstag, darin sitzt der Bundestag.

2:23 PM  

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