Donnerstag, September 07, 2006

Potsdam

Hallo Zusammen,

wer keine Ahnung von Deutschland hat, dem sei hier gesagt: ich befinde mich in der Kaiserstadt zu Potsdam. Das liegt zwar gleich vor und im Schatten Berlins, dafür sind die Leute hier, tschuldigung die Preußen, umso stolzer auf ihre Stadt. Hier befindet sich das Schloss "Sanssouci", welches ich zwar noch nicht angeschaut habe, aber gross und imposant sein soll. Die historischen Stadtmauern kommen zwar etwas juvenil daher, geben der Innestadt aber dennoch etwas Charme. Im holländischen Viertel kann man sich gut verdörlen (Berndeutsches Verb für "die Zeit totschlagen", aber im positiven Sinne).
In den ostdeutschen Städten ist mir aufgefallen, dass es hier überall Strassenbahnen gibt, während ich dies in Westdeutschland (sprich Ulm und Nürnberg) nicht gesehen habe. Dass ich langsam wieder in wohlhabendere Gebiete vorstosse, merke ich daran, dass die Trams hier nicht aussehen wie in Prag, sondern wie in Bern bzw. Basel. Auch hier in Potsdam haben sie diese Siemens Trams. Allerdings sind sie hier schon einen Schritt weiter in der Zukunft. Im Tram wird man von etlichen Flachbildschirmen mit Werbung zugemüllt. Ich hoffe, dass sich die Schweizer Tramgesellschaften diesen Schritt sparen werden.
Zu meiner heutigen Tagesreise möchte ich noch ein Sätzchen verlieren. Auf meiner Wanderung kam ich an Spargelfeldern vorbei, die ähnlich gross waren, wie die bereits umgepflügten Weizenfelder. Unglaublich. So grosse Spargelfelder, dass es sowas überhaupt gibt. Auch sonst ist mir die Landwirtschaft aufgefallen. Gestern habe ich gesehen, wie hier Heu vom Feld geschafft wird. Da ist nicht ein kleiner Traktor mit einem Graslader auf einem kleinen Feldchen am Werke, sondern ein ähnliches Gefährt wie ein Mähdrescher, welcher das Heu mittels Gebläse auf einen Lastwagen mit Anhänger katapultiert. Die enormen Lademengen des Lastwagens reichen allerdings für die riesigen Mengen Heu nicht aus, so dass gleich mehrere Laster Schlange stehen. Bedenkt man jetzt, dass auch die deutschen Bauern massive Unterstützungsgelder kriegen, fragt man sich schon, welchen Sinn die ineffiziente schweizer Landwirtschaft überhaupt noch hat. Oder um es mit der Geschäftsführerin des deutschen Bauernverbandes zu sagen (sinngemäss): "Ein Freihandelsabkommen im Bereich der Agrarwirtschaft mit der Schweiz macht uns keine Sorgen. Die Schweizer Bauern produzieren so teuer, da brauchen wir keine Angst zu haben" (gelesen vor ca. zwei Wochen in der Süddeutschen Zeitung).
Ihr merkt, dass ich wieder ins politische abschweife, da ich offenbar sonst nichts zu erzählen habe. Das stimmt einerseits, andererseits merke ich, dass ich mich mehr mit der wirtschaftspolitischen Diskussion der Schweiz, Europas und der Welt auseinandersetzen möchte. Die Eindrücke, die ich in Deutschland gewonnen habe, lösen bei mir einiges aus, auch wenn ich noch nicht so genau weiss was. Jedenfalls hat mich die Grossproduktion der Bauern und die Ostflucht der Deutschen schon schwer beeindruckt und nachdenklich gemacht. Eigentlich wäre es hier nicht häßlich zum wohnen. Ausserdem denke ich, dass die heimischen Leute gerne hier bleiben würden, aber infolge der grossen Arbeitslosigkeit einfach keine Perspektiven haben. Sie hinterlassen so viele leere Häuser, wie ich das noch nie gesehen habe. Praktisch jedes fünfte Gebäude steht zum Verkauf. In den Innenstädten wird jedes dritte Ladenlokal zur Miete angeboten. All das sind Folgen der ehemaligen DDR, der Wiedervereinigung und der Globalisierung. Dies zu analysieren und vielleicht Mittel und Wege zu finden, wie man es anders machen könnte, scheint mir eine grosse Herausforderung zu sein, welcher sich die Politologen stellen müssen. Ich bin zwar noch weit davon entfernt selbst einer zu sein, könnte mir aber gut vorstellen einmal in Deutschland zu studieren, da hier die Probleme und damit der Stoff für Analysen vorhanden ist.
Vielleicht gehören diese Gedanken zu meiner Erleuchtung, welche ich auf meiner Pilgerreise erfahren habe.

So, damit meldete ich mich das letzte Mal von meiner Reise. Der nächste Eintrag wird aus Berlin sein.

Gruss

Joel

5 Comments:

Anonymous Anonym said...

Lieber Joel
Nur eines: ich gratuliere dir ganz herzlich zu deinem Erfolg. Ich weiss nicht, ob du schon wirklich realisiert hast, dass du am "Ziel" bist (sofern man das je einmal ist....).
Geniesse Berlin, es ist eine wunderschöne und vor allem auch spannende Stadt, für uns Schweizer sowieso. Empfehlenswert ist vieles, unter anderem eine geführte Tour durch dem Rest der Berliner Mauer entlang. Geführt durch Berliner, die die Zeit vor der Wende auch miterlebt haben.

Ich wünsche dir ganz gute Erlebnisse.
Herzliche Grüsse
Albert

10:41 PM  
Anonymous Anonym said...

Hallo Joel,
also ich kann zwar nicht genau erklären warum, aber es macht sehr, sehr viel spass deine Notizen zu lesen.
freue mich schon auf die nächsten.:)
Gruss,
Katharina

12:05 AM  
Blogger berntoberlin said...

Wer ist denn Katharina. Du bist doch nicht die Oberpfälzerin, oder? Es würde mich schon interessieren, wer denn so viel Spass an meinen Notizen hat. Jedenfalls freut es mich, dass Du meine Notizen gerne liest.

12:10 AM  
Anonymous Anonym said...

Do chan Ig ar Kathrina nur Rächt gä. Aber a dere Steu doch no chli Belehrig: Schwizer Landwirtschaft isch ineffiziänt, Tatsach. Aber das wüsse d`Buure genauso guet wie d`Politologe. Wenn glichvüu oder sogar meh Gäud überchunnsch (die berüemte Diräktzahlige...) wenn es Fäud grüen losch anstatt e Nutzpflanze z`zieh, isch klar, dass deu die risikoärmeri Variante näh... und es chunnt no schlimmer, s`Diräktzahligssystem, wies momentan praktiziert wird, ermunteret sogar die ganze 10ha Buure zum witermache, chli öppis apflanze, der Lohnungernähmer lo schaffe, und 10 Quadratmeter Erdbeere mache, damit gnue Arbeitsstung ufem Fäud hesch für Zahlige vom Bund izheimse... ah jo, und de
geit me natürlech no amne Näbejob noche, aber das isch nur eis Bispüu, während d`Lischte no läng isch! Auso die wo WEI wachse, hei momentan no kei Chance, da uf dere Grundlag Land vüu z`tüür blibt, so dass e Restrukturierig unmüglech isch. Auso, jetz weisch was z`Bärn z`tüe hesch, ou bi üs gits gnue Müglechkeit Gutes zu tun.... Übrigens, das Mähdrescherartige Ding isch e Maishäcksler, eifach mit Pickup für Gras, und Ig fahre der nöchscht Monet mit so eim :) isch giel!!
Auso sovüu zur Landwirtschaft, abgseh dervo isch es im Fau krass, dass de jetz de effektiv z`Berlin bisch!! Hüt.... I luege ufd Charte und chume gar nüm drus! Auso, gnies Dis Erfougsmomänt und eine vo de geilschte Städt wo die Ärde z`biete het!

vom Buur/Studänt/Büroschlampe/dim Fründ
müdtu

8:52 AM  
Blogger berntoberlin said...

Dass Du mini Beobachtige zur Landwirtschaft nid chasch so loh stoh, das hani dänkt. Aber es freut mi, dass Dus nid rückwärtsgrichtet, sondern zuekunftsgrichtet gsehsch. So isch immer ä gueti Diskussion müglech.

10:44 AM  

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