Freitag, August 18, 2006

Treuchtlingen

Servus Zusammen,

ich befinde mich hier im Bayernland und hier sagt man entweder Grüssgott oder Servus. Vorgestern ging ich von Höchstädt über Donauwörth nach Buchberg. Dort angekommen traf ich Herrn Franz Hüggele, der mir nicht nur den Weg zum Gasthaus sagen konnte, sondern mich auch gleich zu Bier und belegten Brötchen einlud. Bald kam auch der Nachbar hinzu (beide über 70 Jahre alt) und wir schwatzten ca. eine Stunde über so manches. Der bayrische Dialekt gefällt mir ganz gut und produziert so manches Schmunzeln. Als ich in Höchstädt gegessen habe, war das Restaurant voller älterer Leute, welche so richtig Bayrisch gesprochen haben. Die Bayern sagen zum Beispiel: nenoi für nenei oder Oarsch für Arsch und eben Servus. Hier herum sprechen sie allerdings kein reines Bayrisch sondern ein Gemisch aus Bayrisch und Schwäbisch. Die Reise von Höchstädt nach Buchberg, war nicht sonderlich spektakulär, aber es wird langsam wieder besser. Das Donautal hing mir schon ein wenig zum Hals raus. Seit Gestern befinde ich mich im fränkischen Jura, dessen Hügel ca. 500m Hoch sind. Wie im Schweizer Jura ist auch hier alles voller Kalkgestein, Föhrenwäldern und kleinen Bächen. Und man glaubt es kaum, aber ich kam schon an einigen Pferdezuchten vorbei.
Das Gebiet zwischen Donauwörth und Höchstädt ist übrigens ein historisches Gebiet. Hier kämpften Anno 1704 die Spanier und die Franzosen und die Bayern gegeneinander. Es war ein Teil des spanischen Erbfolgekrieges. Weshalb und wieso weiss ich nicht, aber ihr könnt ja auf wikipedia.org mal nachschauen, was denn dazu steht. Geschichtlich hat mir auch der Herr Hüggele etwas erzählen können. Gleich neben Buchberg liegt Kaisheim, wo früher ein grosses Kloster war, das Heute ein Gefängnis ist. Die Buchberger wurden von den Kaisheimern so ausgepresst, dass die Buchberger Kaisheim angegriffen und auch erobert haben. Darauf wurde wahrscheinlich vom Kloster aus ein Bote nach Nürnberg geschickt. Diesen aber haben die Buchberger umgelegt. Als vor ca. 100 Jahren, wie mir Franz zu berichten wusste, ein Bauer ein Jaucheloch grub, kamen ein Schwert, ein Helm und eine Rüstung hervor. Bis damals war man sich nie sicher gewesen, was mit dem armen Boten passiert war. Die Armee des früheren Fürsten hat das allerdings nicht davon abgehalten ganz Buchberg niederzubrennen.
Heute ist die Region um Buchberg sehr wohlhabend. In Donauwörth befindet sich nämlich die Firma Eurocopter vom europäischen EADS Verband, welcher auch die Airbus Flugzeuge herstellt. Die Firma ist so gross, dass die Leute in den Dörfern rings um Donauwörth genügend Arbeit haben. Überhaupt sieht man hier sehr viele grosse Unternehmen. Heute kam ich zum Beispiel in Monheim durch, wo die Firma Hama steht. Dementsprechend sind auch hier die Einfamilienhäuser sehr schön und die Strassen neu. Allerdings kam ich Heute auch in einem Dorf vorbei, das eine Blechhütte als Dorfhalle hatte und im Dorf keine Strasse mehr hatte. Da wohnten wohl nur arme Bauern.
In ca. drei Tagen, werde ich hoffentlich in Nürnberg sein, wo ich dann auch einen Tag Pause machen werde.
Gruss
Joel

Mittwoch, August 16, 2006

Höchstädt

Hallo Zusammen,

zuerst einmal danke ich euch für die vielen Kommentare; langsam krieg ich Fans:)
Von Ulm aus ging ich weiter nach Offingen, wo ich in einem schönen Zimmer übernachten konnte. Und Heute ging ich von da bis nach Höchstädt. Die letzten beiden Etappen konnte ich komplett am Donauufer entlang marschieren. Das heisst, links war Wald und rechts war die Donau. Landschaftlich ist das zwar nicht sehr interessant, aber zum wandern trotzdem schön, weil man nie ein Auto oder sonstwas sieht und auch sonst ziemlich alleine auf weiter Flur ist. Problematisch ist allerdings, dass ich jeweils am Abend und am Morgen einige Laufzeit dafür investieren muss, in eine Ortschaft bzw. von da wieder raus zu kommen. Dadurch verkürzt sich die zurückgelegte Distanz.
Gestern traf ich auf meinem Weg nach Offingen vier Fischer, welche Forellen fangen wollten. Als ich dort war, fingen sie gerade einen Fisch - weiss nicht mehr wie er hiess - den sie allerdings wieder ins Wasser warfen, weil es ein ungeniessbarer Fisch ist. Was mir an den Fischern in Deutschland aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass sie allesamt Tarnkleider tragen. Leider habe ich es versäumt die Fischer von Gestern zu fragen, ob dies einen speziellen Grund hat. Ich werde dies bei Gelegenheit nachholen und es euch dann mitteilen.
Im Moment habe ich einen Motivationsdurchhänger. Ich habe mir Heute die Übersichtskarte von Deutschland angeschaut und festgestellt, dass ich noch weit von Berlin entfernt bin. Allerdings weiss ich, dass ich schon morgen Richtung Norden abbiegen werde. Wenn dies endlich der Fall ist wird dann Berlin auch näherrücken. Manchmal denke ich, dass ich verrückt sein muss, all diese Strapazen auf mich zu nehmen. Im Moment plagen mich jeden Tag kleine Wadenkrämpfe, die ich mit Kaugummikauen und Magnesiumtabletten einerseits verdränge und andererseits wirksam bekämpfe. Als ich am Montag Richtung Ulm ging und da den Bus nahm, tat ich dies nämlich vor allem darum, weil ich vom ersten Kilometer an schon Wadenkrämpfe hatte. Seit ich in Ulm Magnesiumtabletten gekauft habe, kommen die Krämpfe erst nach ca. fünf Stunden Marsch, was das Ganze erträglicher macht. Die Blasen an den Füssen sind übrigens alle bis auf eine verheilt. Muskelkater habe ich auch keinen mehr. Deshalb nerven mich die Wadenkrämpfe, weil ich ohne sie schmerzfrei gehen könnte.
Ich habe euch ja schon erzählt, dass es den Deutschen ins Baden-Württemberg und jetzt auch in Bayern ziemlich gut zu gehen scheint. Dieser Eindruck ist geblieben. Aber ich habe Gestern mit einem Mann gesprochen, der wahrscheinlich ein normaler Arbeiter ist. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jeder über fünfzig Prozent Steuern zahlt, die MwSt auf siebzehn Prozent ist und ab 1. Januar 2007 nochmals um drei Prozent steigen wird, "macht das Leben hier keinen Spass mehr", wie es der Mann gesagt hat. In dem Moment musste ich ihm Recht geben. Andererseits habe ich mich gefragt, wo das Leben sonst denn Spass machen kann, wenn nicht in einem hochindustrialisierten Land ohne Krieg, in dem jeder genug zu essen, zu trinken und ein Dach über dem Kopf hat. Ausserdem kann jeder hier sein Leben ziemlich frei gestalten. Bei diesem Gedanken habe ich mich über die ewig Jammerer genervt, denen ich in meinem Leben schon Zuhauf begegnet bin. Also, wenn ihr euch das nächste Mal beim jammern erwischt, dann denkt einmal darüber nach.
Noch etwas zum Ort Höschstadt in dem ich mich gerade befinde. Der Ort hat ca. viertausend Einwohner, ein riesiges Schloss und eine mächtige Kirche. Um diese Stadt haben scheinbar um 1700 schon die Spanier gekämpft. Dies lässt sich gut verstehen, wenn man das Land hier sieht. Es ist im Umkreis von ca. 100 km überwiegend Flach und die Donau fliesst gleich daneben durch. Die Felder hier sind dementsprechend etwas grösser als die Gärtchen unserer Bauern :) À propos Bauern. Vor ca. einer Woche hat mir einer erzählt, dass es in seinem Heimatdorf Ende der siebziger Jahre noch ca. 300 Bauern gab. Ende der achtziger Jahre waren es dann noch drei. Soviel zum Struckturwandel, der in der Schweiz noch bevorsteht.
Jetzt fällt mir noch etwas ein, das ich schon lange mal schreiben wollte. Die Deutschen sind viel moderner als wir hochnäsigen Schweizer. Jeden Tag sehe ich dutzende von Dächern, die mit Solarzellen und/oder Warmwasserkollektoren bestückt sind. Ausserdem habe ich schon einige Biogas Anlagen auf Bauernhöfen gesehen. Wenn die Grünen in der Schweiz also monieren, dass die Schweiz in diesem Punkt ins Hintertreffen geraten ist, so kann ich dies nur bestätigen.
So damit ist endgültig Schluss mit diesem Bericht.
Bis zum nächsten Mal.
Tschüss aus Deutschland.
Joel

Montag, August 14, 2006

Ulm

Hallo Zusammen,

da dies meine Standardanrede ist, bleib ich auch weiterhin dabei. Auch wenn ich nie so genau weiss, wen ich eigentlich damit anspreche. Item. Ich bin jetzt in Ulm und ihr fragt euch sicher wie der kleine Teufelskerl Joel in einem Tag fast fünfzig km gemacht hat. Hat er nicht. Jedenfalls nicht ganz. Nach ca. dreissig km war ich in Erbach (oder so) einer mittelgrossen Vorstadt ca. zwölf km von Ulm entfernt. Ich hatte keine Lust mehr weiterzugehen und beschloss kurzerhand den Bus bis Ulm zu nehmen. Ich hätte natürlich in Erbach übernachten können, aber da ich schon so nah an Ulm war, wollte ich auch dort übernachten und nicht einfach nur dort vorbeigehen. Ich wohne mitten in der Stadt gleich hinter dem Münster, sozusagen neben der Pläfä. Ich hatte einiges Glück überhaupt ein Zimmer gefunden zu haben, da praktisch alles ausgebucht ist. So bin ich nun in einem schäbigen Kämmerlein, das immerhin eine Dusche hat. Aber egal. Hauptsache Bett im Haus und nicht Bank im Park.
Heute war es übrigens wieder einmal nicht sehr tolles Wandern. Ich musste ständig den Weg suchen; die Beschilderung war miserabel. Aber so siehts aus, wenn man aus dem beschaulichen Donautal heraus in die Gravitation einer grossen Stadt gerät. Alles ist ein wenig dreckiger, ungepflegter und vernachlässigter. Mit den Menschen verhält es sich übrigens gleich umgekehrt. Während ich auf dem Land immer wieder ältere, schlecht gekleidete Menschen auf alten Fahrrädern sah, sind die Leute in der Stadt chic und hip.
In Munderkingen hatte ich Gestern auf dem Weg zum Abendessen übrigens noch ein eindrückliches Erlebnis. Ich ging durch eine kleine Gasse mitten in Munderkingen und kam dabei an einem Haus vorbei, dessen Fassade graubräunlich war und der Regen seine Spuren über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinterlassen hatte. Das Haus war sehr tief mit wenigen Fenstern und die Eingangstüre erinnerte eher an einen Seiteneingang eines Kuhstalles. In diesem Eingang stand ein kleines Mädchen, das ungefähr neun Jahre alt war. Es hatte ein einfaches Kleid an, das mal sehr farbig gewesen sein musste, aber durch das häufige waschen ausgebleicht war. In der Hand hielt sie eine Holzperlenkette, ähnlich einem Rosenkranz, die sie auch genauso hielt. Und während sie mich anschaute und ich sie, liess sie die Kette mittels Daumen und Zeigefinger im Kreis drehen. Es war ein Bild. Ich kannte es nur zu gut. Es sah genauso aus, wie die Bilder vom Balkan beispielsweise. Ein verängstigtes Kind spielt mit einem ganz einfachen Spiezeug vor einem alten, zerschossenem Haus, hier fehlten nur die Einschusslöcher. Tag eins nach Kriegsende. Genauso muss man sich dieses Bild vorstellen. Bei diesem Gedanken packte mich das Absurde an der Kehle und schnürte sie mir zu. Der Bauch wurde leicht und flau und die Augen trauten den Ohren nicht, weil die Ohren eigentlich Panzergeräusche hätten melden sollen und nicht Autogeräusche von schönen modernen Autos. Ich ging schnell weiter.
Da kann man nicht mehr weiterschreiben.
Fortsetzung folgt.
Gruss
Joel

Sonntag, August 13, 2006

Munderkingen

Hallo Zusammen,

ich befinde mich hier im Cafe Melber mitten in der Stadt Munderkingen, die auf der einzigen Halbinsel der Donau liegt. Es ist ein beschauliches, malerisches Städtchen mit der hier üblichen Fachwerksbauweise. Es hat auch einige Lauben und Erker, die an die Bauweise in Bern erinnern. Der Wirt des Cafes war so freundlich und hat mir seinen Laptop zur Verfügung gestellt, damit ich hier doch noch aufs Internet komme. Das Pub, welches normalerweise Internet anbietet, hat technische Probleme.
Gestern bin ich wie vorausgesagt, von Riedlingen bis hierher gewandert. Nach ca. zwei Stunden Marsch und der Hälfte der Strecke hat es so elendiglich zu regnen begonnen, dass ich mich gezwungen sah, in Zwiefaltendorf im Brauerei Gasthof Rössle Halt zu machen und einen Maisburger Marsch zu essen. Das ist eine Suppe mit Spätzle, Fleisch, Karotten und anderen Dingen, die sehr gut geschmeckt hat. An dem Tisch in dem Restaurant sassen drei Schweizer, die mit dem Original-Militärfahrrad die ganze Donau bis an die Grenze Deutschlands abfahren. Da es immer stärker regnete, entschlossen sich die vier Eidgenossen in fremden Landen, einen Schieber zu jassen. Pierre und ich verloren allerdings zweimal gegen Hans und Rolf.
Gestern habe ich endlich die Schwäbischen Maultschen nach Art des Hauses vom Gasthof Rose zu Munderkingen gegessen; diese Maultaschen sind wirklich gut.
Ich schreibe etwas wirr Heute, da immer wieder etwas geschieht hier im Melber. Gerade eben hat mir eine ältere Damengesellschaft Kaffe und Kuchen spendiert. Das werde ich jetzt geniessen.
So nachdem ich dies genossen habe und mit dem Wirt noch weiter geschwätzt habe, bin ich nun bereit für den zweiten Teil.
Zuerst möchte ich allen danken, die meinen Blog verfolgen und auch Kommentare schreiben. Es freut mich immer sehr, eure Ansichten zu lesen und mich in eurem Neid zu suhlen. Nein im Ernst: es freut mich ganz einfach, weil ich mich damit etwas von der Einsamkeit auf meiner Reise befreit fühle. Es ist nämlich so, dass ich mehr als die Hälfte des Tages jeweils alleine verbringe. Und wenn ich jemanden treffe, dann ist das nicht das Gleiche, wie wenn ich mit alten Freunden spreche. Es wurde mir wieder einmal bewusst, wie wichtig es ist, gute Freunde zu haben, mit denen man nicht bei jedem Gespräch von vorne beginnen muss, sondern jeweils das alte Gespräch weiterführen kann. Immer zuerst über das Wetter zu sprechen ist nicht gerade das, was einen Menschen reicher macht. Ihr müsst jetzt aber kein Mitleid haben, oder denken, dass ich in der Einsamkeit versinken würde. Es ist vielmehr so, dass ich meistens alleine bin und auch allein gelassen werden möchte. Es ist eines der Ziele dieser Reise, dass ich lange Zeit alleine bin und mich kein Mensch kennt, mit dem ich in Kontakt trete. Aber zwischen alleine sein und Einsamkeit liegt natürlich ein schmaler Grat. Und wenn ich auf die Seite Einsamkeit zu kippen drohe, dann tröste ich mich jeweils mit den erhofften neuen Kommentaren auf meinem Weblog. Ihr seht also ihr könnt einen wesentlichen Beitrag zu meinem seelischen, spirituellen Weg-Urlaubsgleichgewicht leisten.
Gruss
Joel