Samstag, September 02, 2006

Leipzig

Hallo Zusammen,

ich bin heute von Zeitz bis in die Vororte von Leipzig gewandert. Dort hatte ich das Vergnügen ein Tram zu finden, das mich bis ins Zentrum trug. Glücklicherweise hatte die Tourist-Info schon geschlossen, so dass ich mich auf Wanderschaft in die Stadt begeben musste. Dort sah ich zufälligerweise einen Wegweise zu einer Pension. Bei der Klingel standen schon zwei Touristen, welche ein Absteigebuch von Leipzig bei sich trugen (sehr kostbar). Darin fand ich das Central Globetrotter. Das ist ein Youth Hostel, welches sowohl Mehrbett-, wie auch Einzelzimmer bietet. Dort angekommen liess ich mich mit warmen Wasser berieseln und trank anschliessen ein schwarzes Köstritzer. Das ist natürlich ein Bier. Vorgestern kam ich an dieser Brauerei vorbei; da habe ich mir geschworen einmal ein solches Bier zu trinken.

Der Weg von Gera bis nach Zeitz, war nicht sonderlich spektakulär, aber auch nicht langweilig. An der Weißen Elster entlang, gings vorbei an grossen Hopfen-, Weizen und Maisfeldern. Auch auf dieser Strecke fielen mir die vielen verlassenen Gebäude auf. Es gab teilweise Häuser, welche schon wieder von der Natur vereinnahmt worden sind. Bäume im Wohnzimmer und so. Andererseits wird auch fleissig in die Infrastruktur investiert; teils mit Fördermitteln der EU.
Zeitz war schon etwas interessanter. Schnell fand ich eine Pension, die sich "zur Vierzehn" nennt. Leider hatten sie kein Zimmer mehr frei. Dafür waren die betrunkenen Stammgäste toll. Sie spendierten mir prompt einige Biere und wir kamen ins Gespräch. Natürlich sprachen wir auch über die DDR. Danach gefragt, was sie an der DDR vermissen würden, antwortete der eine: Die soziale Sicherheit. In der DDR habe man sich keine Sorgen machen müssen, wenn man ein Kind kriegte oder pensioniert wurde. Für jeden sei immer gut gesorgt gewesen. Heute sei nicht einmal mehr die Rente sicher. Natürlich vermissten sie auch sonst die guten alten Zeiten, als jeder Arbeit hatte und Zeitz noch 50`000 Einwohner zählte. Heute sind es nur noch 28`000. Das erklärt auch die vielen leer stehenden Gebäude. Obwohl viel gebaut und abgerissen wird bzw. wurde, sieht man den Städten in Ostdeutschland den Verfall und die Abwanderung richtiggehend an.
In Gera übernachtete ich beispielsweise mitten in der Stadt am Marktplatz. Trotzdem stand gegenüber des Hotels Burgkeller ein Gebäude kommplett leer. Drei Seiten des Marktplatzes waren renoviert, die vierte Seite mit besagtem Gebäude sah aus wie ein Stück Geisterstadt. Es ist mir gerade in den Sinn gekommen, dass ich über Gera noch nicht berichtet habe, da mir ja der IE einen Streich gespielt hatte.
Gera ist eine mittelgrosse Stadt, die voller heruntergekommener Industrie- und Wohnquartiere ist. Es kann aber schon vorkommen, dass ein Gebäude zur Hälfte sehr schon renoviert ist und die andere Hälfte kurz vor dem Zusammenbruch steht. Generell habe ich in Gera, Zeitz und Leipzig Häuser gesehen, welche eingerüstet waren, nur damit die herunterfallenden Gebäudeteile keine Passanten treffen.
In Zeitz habe ich in einer ganz speziellen Herberge übernachtet. Der Besitzer und seine Frau, wurden kurz nach der Wende arbeitslos. Auf einen Artikel in der Lokalzeitung hin, haben sie begonnen ein Zimmer in ihrem Haus zu vermieten. Nach und nach haben sie das ganze Haus mit Zimmern ausgebaut. Später kam die Spezialität des Hauses hinzu. Der Mann hat seiner Frau eine Rosenplastik geschenkt. Diese befindet sich heute im Raucherraum und hat einen Durchmesser von ca. 50cm. Sie ist ausserdem an die Wand gebaut. Nach und nach hat der Besitzer das ganze Haus mit Gipsrosen verziert. Jedes Zimmer hat seine spezielle Ausstattung und eine jeweils einzigartige Rosenstuckatur. Keine Frage, dass auch die Lampenschirme Rosenmuster tragen. Natürliche Rosen gibt es allerdings in dem Haus keine. Dafür hat es nicht genug Licht. Künstliche Rosensträucher mussten deshalb als weitere Dekoration her.
Leider schmeisst mich der Besitzer des Internetcafés gerade raus. Er hat mich nach der eigentlichen Schliessungszeit noch hier reingelassen, ohne etwas zu sagen. Tja Idioten gibts eben überall.
Ich werde schon bald einen zweiten Artikel in Leipzig schreiben und euch auf dem laufenden halten.

Gruss

Joel

P.s. (11:59 pm): Ich habe in Gera zwei Posts geschrieben und in diesem schreibe ich, dass ich noch nichts über Gera geschrieben habe...*kopfschüttel* :)

Freitag, September 01, 2006

Zeitz

Hallo Zusammen,

ich bin heute von Gera nach Zeitz gewandert. Ich hatte gerade einen langen Post geschrieben, der allerdings im Internet Explorer stecken geblieben ist. Kotz so an, dass ich nichts weiter schreiben werde heute.

Gute Nacht

Joel

Donnerstag, August 31, 2006

Gera 2

Hallo Zusammen,

wie ich merke, sind einige Leser besonders schnell im aufspüren neuer Einträge von mir. Es freut mich, dass immer noch ein Interesse da ist, meine Posts zu lesen. Allerdings merke ich, dass dieser Blog auch für mich sehr viel zu bieten hat. Ich bin schon fast fünf Wochen unterwegs und kann mich dank des Blogs viel einfacher in frühere Zeiten meiner Reise hineinversetzen. Das ist umso nötiger seit die Blasen an meinen Füssen langsam aber sicher vollständig geheilt sind. Da erinnere ich mich doch gerne an Wutöschingen, wo ich eine Blase am kleinen Zeh bis auf das Fleisch hinunter hatte.
Ich habe euch mehr zu Gera versprochen, kann aber nicht allzuviel darüber berichten, weil ich nach dem schreiben des ersten Eintrages zuerst einmal ein Zimmer habe finden müssen. Die Touristinformationsfrau konnte mir ein tolles Zimmer mitten in Gera vermitteln. Ich wohne im Burgkeller; dieses Gasthaus ist ganz speziell, wie ich herausgefunden habe. Das ganze Interieur ist auf Mittelalter gestylt, die Bedienung ist super freundlich und das Essen sensationell. Mittlerweile habe ich ein mit Frischkäse gefülltes Schweinefilet, einen Salat "damit das Korsett auch morgen noch passt" und eine grosse Kartoffel mit Streichkäse in meinem Bauch. Netterweise konnte ich auch meine Wäsche dort waschen, was ich eigentlich schon gestern tun wollte, aber die Landlady war nicht so aufgeschlossen wie meine bisherigen und heutigen Gastgeber.
Zum Standort des Burgkellers. Er liegt gleich am Marktplatz, an dem sich eine frisch restaurierte Kirche, das Standesamt und weitere Verwaltungsgebäude befinden. Drei Seiten des Platzes sind mit renovierten Gebäuden bestückt. Auf der vierten Seite steht aber ein Haus, das leer ist, eine bröckelnde Fassade und teilweise kaputte Fenster hat. Das meinte ich damit, dass sich hier alt und neu in Form von Gebäuden trifft. Witzig fand ich auch, dass ich vorhin ein Tram sah, das einen Mittelwagen mit Niederflureinstieg hat. Es war gross angeschrieben, dass dies das erste Tram mit dieser Technologie in Gera sei. Soviel zum modernen Rollmaterial.
Die Einkaufsmeile d.h. die Friederichsstrasse steht an solchen im Westen in nichts nach. C&A, BurgerKing, Subways usw. teilen sich die heissbegehrte Fläche im Geraer Zentrum.
Auf der Wanderung hierher habe ich auch einige Zeichen der Kommunistenzeit erkannt. So kam ich an einer Karl-Marx-Strasse, einer Friedrich-Engels-Strasse und einer vermutlich zurückgebauten, also nicht mehr vorhandenen, Statue vorbei. Ich vermutete, dass auf dem Sockel, der noch vorhanden war, einmal Lenin oder Stalin gestanden haben muss.
Dieses unfertige Element, das man hier an allen Ecken und Enden findet, wirkt auf mich irgendwie befreiend. Man hat das Gefühl, dass alles möglich sei. Überall möchte man etwas niederreissen, renovieren, verbessern oder die Geschichte dahinter kennenlernen. Nichts macht den Eindruck, als würde es schon ewig hier stehen und schon gar nicht, dass es irgendeinen Grund gäbe etwas so zu belassen, wie es im Moment ist. Die Menschen hier haben auch noch Träume. Keiner spricht davon, dass früher alles besser war. Alle sprechen davon, was sie in Zukunft noch machen, was ändern und welche Ideen sie noch verwirklichen möchten. Das tönt jetzt etwas euphorischer als es in Wahrheit wahrscheinlich ist, aber als mittlerweile Stadtberner wirkt diese Stadt schon sehr lebendig gegenüber Bern. Hier scheint der grosse Wurf noch möglich, hier ist Platz für Ideen und Visionen. Engstirnige Bewahrer und Denkmalschützer wären hier fehl am Platz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Gera zwanzig Jahre darüber streiten würde, wie man den Bahnhofsplatz neu gestalten möchte. Ausserdem würde schon gar nicht einer daherkommen und per Verwaltungsentscheid einen Volksentscheid in Frage stellen.
Es ist schön zu merken, dass eine Reise auch immer wieder Horizonte eröffnet, von denen man vorher noch gar nichts gewusst hat. Was früher Gottgegeben schien, erkennt man plötzlich als Engstirnigkeit. Ich freue mich schon jetzt darauf noch weiter in der ehemaligen DDR spazieren zu gehen. Ich denke bzw. hoffe, dass ich noch mehr solcher Erlebnisse haben werde.

Gruss aus dem lebendigen Gera.

Joel

Gera

Hallo Zusammen,

bin gerade in Gera im Zentrum angekommen. Heute ging ich von Hohenleuben bis hierher. Gestern wanderte ich von Schleiz bis ebendort. Landschaftlich komme ich wieder in eine etwas angenehmere Zone, das Wetter wird besser und meine Motivationskurve wurde von einem unabhängigen Finanzinstitut zum Kauf empfohlen. Gestern musste ich einen ziemlich kühlen Südwestwind aushalten. Damit mein Nacken nicht gefror, wanderte ich mit Kapuze. Wird langsam Zeit die Wintersachen rauszuholen. Die Gegend zwischen Hof und Gera ist doch hübscher als ich zunächst mit meinen demotivierten Sinnen empfunden habe. Man geht meistens auf Hochebenen. Zwischendurch ins Tal runter, auf der anderen Seite wieder hoch. Auf den Ebenen hat es riesige Felder. Der Weizen wurde mittlerweile überall geschnitten, das Stroh leider teilweise verregnet.
Ich konnte Gestern auf der B94 mutterseelenallein wandern, da diese Strasse alle 5km eine Baustelle vorzuweisen hat. Der grosse Verkehr wurde also umgeleitet, und ich hatte teilweise drei Spuren zum Wandern zur Verfügung.
In Hohenleuben angekommen, durfte ich zunächst ein paar heruntergekommene ehemalige Industriegebäude bewundern, dann kam ich in den Genuss einer alten Kirche, die sich die Gunst des Betrachters mit dem Knast im Hintergrund teilen musste. Nachdem im Freistaat Thüringen vor ca. drei Tagen, zwei Schwerverbrecher ausgebrochen waren, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass die Leute in so einem Ort nicht gerade leutselig auf mich zu kamen. Trotzdem waren die Leute so nett, mir die einzige Pension im Dorf zu zeigen, wo ich ein Doppelzimmer mit Frühstück für zwanzig Euro bekam (Preis/Leistungsrekord). Die Landlady war so freundlich für mich im einzigen Restaurant anzurufen, ob ich trotz Ruhetag vielleicht etwas zu essen bekäme. Glücklicherweise fand dort gerade ein Kindergeburtstag statt, so dass die Besitzerfamilie mir ein nettes Steak mit Kartoffeln zubereitete. Offenbar froh um die kleine Abwechslung unterhielten sich die Leute mit mir. Vor allem mit dem Wirt habe ich etwas länger gesprochen und damit auch etwas tiefer ins Glas geschaut, als vorgesehen. Er war zur Zeit der Wende 22 Jahre alt. Erstaunlicherweise kam er nicht auf die Idee auch nur ein Wort der Klage über die Probleme Deutschlands loszuwerden. Von klagen oder jammern keine Spur. Auch die anderen Menschen erzählten mir viel lieber, wie sie letztes Jahr im August knapp dem Hochwasser in Luzern entkommen waren. Auf den Unterschied zwischen DDR und dem vereinigten Deutschland angesprochen, meinte der Wirt lapidar: Auch wenn wir nun könnten, es fährt trotzdem niemand auf die Malediven. Er sah die DDR auch nicht so eng, wie man das bei uns im Geschichtsunterricht zu hören kriegt. Er fand, dass man damals immer genug zu essen hatte, was heute nicht anders sei. Ausserdem habe man damals beim Einkaufen noch ein Erfolgserlebnis haben können. Zum Beispiel wenn man wusste wann und wo die nächste Jeanslieferung hinkam, und man einer der glücklichen war, die eine Hose ergattern konnten, bevor die Lieferung ausverkauft war. Heute gehe man nur noch in den Supermarkt und nehme einfach. Auf den Charakter der Leute in Thüringen angesprochen meinte er: Schwierig. Er komme aus Sachsen und zu Beginn sei es in Thüringen schwierig mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, wenn man sie allerdings mal kenne, könne man es sehr gut mit ihnen haben. Das wäre die zweite Erklärungsvariable dafür, dass mich hier die Wanderer und Radfahrer nicht so freundlich grüssen wie noch in Bayern oder Baden-Württhemberg.
Heute ging ich also weiter bis nach Gera. Ein schönes Stück von diesem Weg konnte ich an der Weißen Elster zurücklegen. Es gibt an diesem Fluss entlang einen Radweg, den ich auch morgen wieder nehmen werde, da man daran bis Leipzig weitergehen kann. Die Weiße Elster ist zwar komplett naturbelassen, dies hat aber auch Nachteile. Beispielsweise in Form von fehlenden Kläranlagen bzw. in Form von Abwässer, die ungefiltert in den Fluss gelassen werden. Ein olfaktorischer Leckerbissen wie ich meine. Architektonische Leckerbissen durfte ich dann in den Suburbs von Gera erleben. Brachliegende Industriequartiere so weit das Auge reicht. Irgendwelche Rohre, die 50cm und mehr im Durchmesser messen, und entlang des Flusses führen. Verbotsschilder weisen daraufhin, dass es sich um die Energieversorgung von Gera handeln könnte. Aber auch diese Rohre sind wohl ein Relikt aus dem Kalten Krieg, weil sie nämlich plötzlich unterbrochen waren. An wirklich heruntergekommenen Industriebrachen hängen Plakate, die einen einladen Büro und Lagerräume zu mieten. Als Highlight bieten sich die Plattenbauten an, welche etwas erhöht liegen und zu Spitzenzeiten wohl einige tausend Leute beherbergen konnten. Kaninchenkäfigstapeln als vermuteter Architektensport zu DDR Zeiten bietet sich an. Renoviert wird aber auch ganz fleissig. So kann es durchaus sein, dass ein von Autoabgasen ganz schwarz gewordenes Gebäude ohne Unterbruch an eine Wohnsiedlung anschliesst, die mit neuen Balkonen, Fenstern und Fassaden genausogut im Trendy-Zürich liegen könnte. Es ist ein ständiges Wechselspiel von alt und neu. Im Zentrum ist allerdings praktisch alles neu. Nur die Trams erinnern irgendwie an Prag bzw. an die vorletzte Tramgeneration in Bern. Der Vergleich mit Prag ist gar nicht so dumm. Wahrscheinlich haben Prag und Gera mehr gemein als Gera und Hamburg.
So, damit habe ich wieder einmal viel erzählen können und ich hoffe, dass ich morgen oder heute Abend noch einmal ein paar Geraer Highlights zum Besten werde geben können.

Gruss aus Gera

Joel

Mittwoch, August 30, 2006

Schleiz

Hallo Zusammen,

ich bin immer noch in Schleiz und werde bald weitergehen. Die Pause hat sich insofern gelohnt, als dass ich mir Karten bis nach Berlin kaufen konnte. So werde ich in der Lage sein, auf Nebenstrassen zu gehen und nicht mehr auf der B2. Gestern habe ich wie geschrieben, die Grenze zur ehemaligen DDR überschritten. Offenbar gab es zwischen Hof und Schleiz einen Sicherheitsgürtel, den nur Menschen mit einem entsprechenden Passierschein betreten durften, auch wenn dieses Gebiet zur DDR gehörte. Vorgestern habe ich übrigens zum ersten Mal in meinem Leben einen fahrenden Trabbi gesehen. Da wusste ich schon, dass ich mich langsam der ehem. DDR nähere. Heute werde ich Richtung Gera weitergehen. Bis Gera werde ich allerdings kaum kommen, da die Stadt über vierzig Kilometer entfernt liegt.
Mehr zu dieser Gegend und zu den Leuten hier, werde ich hoffentlich in Gera berichten können. Bisher bin ich mit den Leuten hier noch nicht so ins Gespräch gekommen. Es wäre wohl am besten in einem Dorf Halt zu machen, da dort die Leute meistens neugieriger sind als in der Stadt. Allerdings muss man auch sagen, dass gestern Dienstag war und die Leute wahrscheinlich nicht viel Zeit hatten um am abend noch auszugehen. Kommt dazu, dass ich im Moment auch nicht so stark auf Menschen zu gehe.
Was man trotz weniger Kontakte herausspürt ist, dass hier ein anderer Groove herrscht als in der ehemaligen BRD. Was diesen Groove genau ausmacht, werde ich in den nächsten zwei Wochen herauszufinden versuchen. Ich denke, dass die wirtschaftliche Situation und die Geschichte die Menschen hier anders macht. Vielleicht ist es aber nur der Unterschied Norden-Süden, den ich spüre. Die Menschen hier sprechen ein viel deutlicheres Deutsch als noch die Menschen in Bayern oder Schwaben gesprochen haben. Ich hoffe aber, dass ich auch vom hiesigen Dialekt einige Highlight mitbekommen werde.
So, damit verabschiede ich mich auf die Fortsetzung meiner Tour. In der letzten Zeit, bin ich nicht gerade weit gekommen. Das möchte ich ändern und das Tempo wieder etwas forcieren.

Gruss

Joel

Dienstag, August 29, 2006

Schleiz

Hallo Zusammen,

gestern kam ich nur ungefähr 15km weit. Danach wollte ich mir ein Gasthaus suchen, weil ich die Schnauze voll hatte von Dauerregen und dem gefährlichen Gang auf der B2. In einem Restaurant traf ich einen Mann, der mich freundlicherweise mit seinem Auto ins nächste Gasthaus fuhr. Dort habe ich gut gegessen und geschlafen. Das Gasthaus liegt auf einer Anhöhe, wo die Windkrafträder auch heute sehr schön drehten. Am morgen hatte es fast geschneit, was mir auch heute die Lust nahm irgendwohin zu gehen. Da ich mitten im Nirgendwo war, beschloss ich den Bus bis nach Schleiz zu nehmen, mir dort Karten zu besorgen und einen Tag zu warten. Vielleicht wird das Wetter ja wieder besser, wer weiss. Ihr merkt im Moment habe ich wirklich den Megakoller. Der Tag hier könnte allerdings für mein Weiterkommen gut sein, da ich bereits eine Karte kaufen konnte und mir die Verkäuferin der Buchhandlung weitere Karten bestellte, die ich morgen werde abholen können. So werde ich in der Lage sein, wenigstens nicht mehr auf der Hauptstrasse gehen zu müssen, was schon sehr viel Wert ist.
Mittlerweile befinde ich mich in Thüringen. Hier war früher Grenzgebiet zwischen DDR und BRD, weshalb diese Umgebung nicht sehr dicht besiedelt ist. Man merkt schon hier, dass es einen Unterschied zu Westdeutschland gibt. Neue Einfamilienhäuser sucht man hier genauso vergebens, wie neue Strassen und teure Autos. Der tiefere Lebensstandard ist an allen Ecken und Kanten ersichtlich. Auch wenn man die Zeitung aufschlägt, macht sich die DDR bemerkbar. Beispielsweise las ich gestern einen Artikel über die Kinderbetreuungsstätten in den neuen Bundesländern. Offenbar gibt es hier viel mehr als in Westdeutschland. Ostdeutsche Politiker möchten dieses Angebot kürzen, was bei der Bevölkerung nicht auf Gegenliebe stösst, da dies eines der wenigen Gebiete ist, in denen man den Westdeutschen überlegen ist. Während man in Westdeutschland zwei Jahre auf einen Kinderplatz warten muss, gibt es hier keine Wartefristen. Für unter dreijähige gibt es eine Abdeckung mit Tagesplätzen von 30 Prozent, während es die westdeutschen nicht einmal auf fünf Prozent schaffen. Diese ständige Differenzierung von West- und Ostdeutschland ist mir übrigens schon früher aufgefallen. In ganz Deutschland wurde vor kurzem beschlossen einen Mindestlohn für das Putzpersonal festzulegen. Der Mindestlohn wurde für Westdeutschland um über einen Euro pro Stunde höher angesetzt als in Ostdeutschland. In der Zeitung gestern stand auch, dass über vierzig Prozent der Bürger in Ostdeutschland laut einer Umfrage jemanden aus dem näheren Umfeld kennen, der in Westdeutschland arbeitet. Solche Beispiele zeigen, dass es auch nach fünfzehn Jahren Wiedervereinigung noch sehr viele Baustellen und Gräben zwischen West- und Ostdeutschland gibt. Ich habe auch schon Sprüche von Westdeutschen gehört wie "baut die Mauer wieder auf" und ähnliches. Wie die Ostdeutschen über die Wiedervereinigung, den Kapitalismus, Demokratie usw. denken, weiss ich noch nicht, aber ich werde dazu sicher noch etwas in Erfahrung bringen können.
Noch etwas zur Natur hier. Die Landschaft hier ist geprägt von Hochebenen, auf denen sich grosse Landwirtschaftsflächen und Wälder befinden. Ausserdem ist hier in der Nähe der grösste Stausee Europas. Offenbar gibt es hier viel Wind, weil man überall auf den Hügeln Windkraftanlagen sieht. So nachdem ich es geschafft habe in vier Sätzen viermal das Wort hier zu benutzen, werde ich versuchen dies nun sein zu lassen. Wie sagt man doch gleich? Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen; auch hier nicht:).
Ich möchte mir aber trotzdem einen Orden verleihen. Und zwar für meine grosszügige Art das Wetter nicht Scheisse zu nennen. Im Moment macht es wirklich keinen Spass zu wandern. Ich weiss noch nicht wie ich das wieder hinkriege, aber ich denke, dass ich morgen dank dem neuen Kartenmaterial, wieder etwas motivierter an mein Tagewerk werde gehen können. Auch wenn es wieder regnen wird, werde ich wenigstens nicht mehr auf der Hauptstrasse gehen müssen. Die Buchhändlerin zeigte mir auf der Karte einen Weg, den ich benutzen kann, der auch sehr schön sei. Wenn es morgen nicht dauerregnen wird, so werde ich wohl auch schon viel mehr Freude haben, wieder rauszugehen und mich mit dem Wetter zu arrangieren. Am Wochenende solls ja wieder besser werden.
Noch etwas. Ich hätte gerne, wenn ihr in euren Kommentaren eine kleine Kritik zu meiner Art zu schreiben abgeben würdet. Es wundert mich nämlich schon, wie sich meine Beiträge lesen, wenn man nicht meine Erlebnisse im Kopf hat.

Gruss

Joel

Montag, August 28, 2006

Hof

Hallo Leuts,

bin hier immer noch in Hof, draussen regnet es und ich hätte nicht übel Lust einfach hier sitzen zu bleiben, zumal ich heute realtiv spät aufgestanden bin und es schon fast Mittag ist. Zu dieser Uhrzeit mache ich sonst jeweils meine erste Pause nach ca. 10km Marsch. Heute werde ich aber trotzdem noch weitergehen, aber wahrscheinlich nur so 20km.
Zu Hof kann ich leider noch immer nicht sehr viel sagen. Bemerkenswert ist sicher die grosse Kirche, die mitten in der Altstadt steht. Die Stadt hat ca. 60000 Einwohner und liegt etwas verstreut an Hügeln, so dass ich Gestern wirklich Mühe hatte, in die Stadt zu finden. Wenn ihr zufällig einmal hier vorbeikommen solltet, so kann ich aber einen Zwischenhalt durchaus empfehlen. Die Altstadt ist im Verhältnis zur Gesamtstadt sehr gross und hat eine schöne Fussgängerzone. Schade fand ich nur, dass es in der Altstadt nur Geschäfter und keine Restaurants gibt. Ich wollte gestern in der Altstadt essen gehen, und habe mich fast zu Tode gehungert auf der Suche nach einem Restaurant. Schliesslich landete ich in einem Bistro, wo ich Penne und Salat essen konnte. Beides wurde wohl aus dem Plastikbeutel serviert. Naja. Ich hatte schon bessere kulinarische Erlebnisse in Deutschland, aber der Magen wurde auch Gestern gefüllt.
Um auf Alberts Kommentar zu Antworten betreffend Leute, die ich getroffen bzw. eben nicht getroffen habe. Da ich in den letzten beiden Tagen nur auf der Hauptstrasse unterwegs, das Wetter mies, und die Städte hässlich waren, habe ich auch nicht soviele Menschen getroffen. Ausserdem merke ich in der letzten Zeit, dass ich auch weniger Lust habe auf Menschen zuzugehen. Nach vier Wochen Hartz4, MwSt. Erhöhung und sonstigen deutschen Leidensgeschichtengejammere habe ich etwas Mühe mir das Immergleiche wieder anzuhören. Tönt etwas hart, aber die Deutschen jammern genauso wie die Schweizer auf hohem Niveau. Keiner ist zufrieden damit, dass er genug zu essen, fliessend Wasser, ein Auto, ein Job und eine anständige Bleibe hat. Alle sehen nur noch den Niedergang, den Blutsauger Staat und sonstige negative Dinge.
Gestern habe ich auf der ARD eine Sendung zum Thema "Mit fünzig Jahren ausrangiert" gesehen, wo sechs Leute über das Wirtschaftspolitische System diskutierten. Interessant war dabei, dass eine ehemalige SPD Bundestagsabgeordnete nach ihrer Abwahl ein Jahr arbeitslos gewesen war, bis sie sich selbständig gemacht hat. Sie hatte selbst die damaligen Reformen mitgetragen, die sie nachher so ungünstig trafen. Ich kann hier nicht die ganze Diskussion schildern, klar wurde dabei aber, dass nichts klar ist. Alle sahen nur Probleme, aber keiner machte Vorschläge wie man es besser machen könnte. Ich glaube die Leute haben einfach Angst ihren hohen Lebensstandard zu verlieren. Dem Kind wird sozusagen das Spielzeug weggenommen und das findet es gar nicht lustig, obwohl es noch genügend andere Spielzeuge hat. Meine Meinung dazu. Wir müssen unsere Definition von Armut nach unten schrauben. Es geht nicht mehr, dass Armut bedeutet, dass man sich nur einmal im Jahr Ferien leisten kann. Armut sollte wieder bedeuten, dass man nicht genügend zu essen und zu trinken hat. Dann würde Vielen bewusst, dass sie doch gar nicht so arm sind. Dies betrifft nicht nur Deutschland, sondern die gesamte westliche Welt.
So, damit liess ich einmal den moralisierenden Studenten mit mir durchgehen, aber dazu ist ein Blog eben auch da. Man kann rauslassen was man will. Es zahlt ja niemand dafür, dass er dies lesen darf.
Jetzt muss ich mich aber wirklich auf die Socken machen, sonst komme ich heute nirgendwo mehr hin.

Gruss

Joel

Sonntag, August 27, 2006

Hof

Hallo Zusammen,

ich befinde mich hier in Hof. Vielleicht fragt ihr euch, wieso ich in drei Tagen nur 60km gemacht habe. Antwort: ich habe diese in zwei Tagen gemacht. Vorgestern blieb ich einen Tag in Bayreuth, da ich dort erst um sechs Uhr morgens ins Bett gekommen bin. Etwas ausspannen muss auch mal sein, zumal ich in vier Wochen zwei Drittel der Strecke geschafft habe. Jetzt sinds nur noch etwas über 300km. Theoretisch könnte ich diese Strecke in zehn Tagen schaffen. Langsam wird das Ziel zur Realität.
Jedenfalls bin ich Gestern von Bayreuth nach Gefrees gewandert. Dies wäre zwar nur eine Strecke von 25km gewesen, aber ich habe in Bayreuth die falsche Ausfallstrasse genommen und habe mir somit eine schöne Wanderung durch das Fichtelgebirge beschert. Anstatt 25km habe ich Gestern ca. 35km gemacht. Wegen dem schlechten Wetter, hat sich der Ausflug zudem auch nicht wirklich gelohnt. Immerhin kam wenigstens gegen abend noch die Sonne raus. Allerdings kann das Fichtelgebirge durchaus einen Umweg wert sein. Es gibt dort fast menschenleere Gegenden, die mit Wäldern und Feldern versetzt sind. Die Radwege führen einen zielgenau an den wichtigen Ortschaften nebendurch(*nerv*), so dass zivilisationsscheue Menschen voll auf ihre Kosten kommen können. Jetzt einmal im Ernst: Der gestrige Tag hat mich an meine Nervgrenze gebracht, deshalb kann ich mich auch beim besten Willen an nichts Gutes erinnern.
Heute habe ich wegen den gestrigen Ausflügen beschlossen, die Hauptstrasse zu nehmen. Dies hat mich zwar dreimal fast umgebracht, aber sonst ist auch von der heutigen Wanderung nicht viel Spektakuläres zu berichten.
Vielleicht interessiert es euch, dass in Gefrees am Samstagabend genau ein Restaurant offen hatte, dass die Spielhalle als bisher einzige in Deutschland keinen Internetanschluss hatte und die Häuser, Strassen und sonstigen Dinge alle ziemlich alt und vernachlässigt aussahen. Eine Stadt zum flüchten. Oder, wenn man sich in einem amerikanischen Roadmovie befinden würde, eine Stadt in der man jedes Geschäft ausrauben und die meisten Bewohner umbringen würde, ohne dass dies der Zuschauer schlecht finden würde. Gefrees ist wirklich der allerletzte Ort an dem ich noch ein zweites Mal in meinem Leben hin möchte. Wenigstens habe ich feine Cannelloni gegessen und gut geschlafen.
Hof scheint da schon anders zu sein. Es gibt hier eine relativ grosse Alstadt mit vielen Geschäftern und die Pcs hier im Internetcafé laufen im Gegensatz zu Bayreuth einwandfrei. Viel kann ich dazu noch nicht sagen. Ich werde jetzt auf die Suche nach einem Zimmer gehen, duschen, essen und dann wahrscheinlich noch einen Eintrag über Hof machen. Eine Info habe ich schon. Es gibt hier einen schönen See, in dem zu baden im Sommer ganz nett sein muss.
Noch etwas. Falls ihr Angst vor deutschen Dialekten habt, dann geht nie in die Oberpfalz. Ich habe mich in Bayreuth einen Abend lang abgemüht diesen Dialekt zu verstehen, hatte aber immer wieder grosse Missverständnisse zu klären. Beispiel (auf Hochdeutsch): Gesagt: Es ist schon früh; gehört: Erfrischung. Soviel zum Thema Oberpfalzdialekt.

Gruss

Joel